Viele Neubauten sind gefühlt noch technisch so veraltet wie vor 20 Jahren. Digitalisierung ist wohl noch kein grundlegender Baustein oder Standard beim Neubau von Einrichtungen. An vielen Stellen läuft es aktuell noch so: Man baut neu, man baut schön, aber um die Infrastruktur kümmert man sich gar nicht oder zu spät. Oft wird noch mit alten Standards geplant, ohne an die Anforderungen von heute zu denken und schon gar nicht an die der nächsten 10 bis 20 Jahre.
Um Synergien zu nutzen, sollte Digitalisierung ganzheitlich betrachtet werden. Dies umfasst die drei Säulen: Prozesse, Technologien und Menschen. Schlechte Prozesse bleiben auch digital schlecht. Daher ist es wichtig, Prozesse vorher zu analysieren und anzupassen und alle Abteilungen in diesen Wandel einzubeziehen. Schulungen, der Abbau von Unsicherheiten und effektives Change Management sind entscheidend, um die Mitarbeitenden vorzubereiten und mitzunehmen.
Für die Technologie-Säule ist es essenziell, die Digitalisierung bereits beim Bau neuer Einrichtungen zu berücksichtigen und die IT von Anfang an in den Bauprozess einzubinden. Im Organigramm eines großen Bauprojekts sollte ein IT-Vertreter von Minute eins an dabei sein, um die IT-Anforderungen zu berücksichtigen. Denn häufig benötigen Technologien, wie beispielsweise die Ortung im beschützenden Bereich, spezifische bauliche Voraussetzungen. Wenn diese nicht von Anfang an bedacht werden, können spätere Anpassungen teuer und aufwendig sein. Daher sollte man unter anderem sicherstellen, dass die notwendigen Anschlüsse und Infrastrukturen von Anfang an am richtigen Ort und in ausreichender Anzahl vorhanden sind, was die spätere Implementierung und Nutzung innovativer Technologien erleichtert.
Ein klarer Plan oder eine Vision, wohin man in der Digitalisierung will, ist für ein Bauprojekt also entscheidend, denn daraus leiten sich viele Anforderungen für den Bau ab. Um unsere Kunden bei der Erarbeitung dieser Digital-Vision zu unterstützen, haben wir unseren Digitalkompass entwickelt. Er soll sie dazu befähigen den digitalen Wandel aktiv zu gestalten und ihre Einrichtungen erfolgreich in die digitale Zukunft zu führen.
Was wird aktuell noch häufig vernachlässigt, obwohl es längst Standard sein sollte?
- WLAN: Ein flächendeckendes WLAN bereitzustellen ist sehr komplex. Hier besteht die erste Herausforderung bereits in der Frage: Wie kommt man überhaupt zu einem verlässlichen Plan? Oft hat man nur den Gebäudeplan als Basis. Um auch in den letzten Winkel WLAN zu bringen, muss virtuell geplant werden. Andernfalls kann es zu Problemen mit der Sensorik kommen, auf welche manche Technologien angewiesen sind. Eine genaue Planung zum perfekten Positionieren der Access Points ist daher notwendig.
- Technikräume: Es gibt oft keine, zu wenige oder zu kleine Technikräume. EDV-Räume werden bei der Gebäudeplanung häufig hintenangestellt. Sie dürfen nicht gleichzeitig als Abstellkammer oder Lager genutzt werden.
- Datenanschlüsse: In Zimmern, Büros und Gemeinschaftsräumen werden zu wenige Datenanschlüsse geplant und diese sind oft schlecht platziert. Es sollten mehrere Datenanschlüsse im Zimmer eingeplant werden. Die Unterverteilung von verschiedenen Punkten im Zimmer sollte zusammengeführt und dann in den Technikraum geleitet werden.
Die Liste könnte man noch beliebig fortführen und zeigt, dass digitale Grundlagen beim Bau noch nicht standardmäßig geschaffen werden. Es bedarf einer vorausschauenden Planung und einer ganzheitlichen Betrachtung, um zukünftige technologische Anforderungen zu erfüllen und die Digitalisierung effektiv zu integrieren.
Führt die Digitalisierung der Einrichtungen nicht zu erheblichen Mehrkosten?
Die Frage der Refinanzierung ist natürlich immer ein Thema. Allerdings bedeutet Digitalisierung nicht zwangsläufig, dass es viel teurer wird. Durch eine vernünftige Planung kann es sogar langfristig günstiger werden. Ein Beispiel hierfür sind Putzroboter in Kombination mit einer verringerten Anzahl an Reinigungskräften. Während man für die Roboter nur einen Technikraum benötigt, bräuchte man für die Reinigungskräfte vielleicht mehrere Umkleiden, von den Betriebs- bis hin zu Gehaltskosten möchte ich gar nicht sprechen.
Darüber hinaus ist die Erstinstallation definitiv günstiger als eine spätere Nachrüstung. Wenn man also ohnehin vorhat, bestimmte Technologien zu implementieren, ist es sinnvoll, dies gleich zu Beginn zu tun. Manchmal kann man sogar mit weniger mehr erreichen. Ein Beispiel dafür ist der Bereich WLAN: Eine vorherige, vernünftige virtuelle Messung ermöglicht es, weniger Access Points besser zu platzieren und somit eine effizientere Abdeckung zu erreichen.

Abb.: Virtuelle Messung zur WLAN-Abdeckung
Durch eine durchdachte Erstinstallation und Planung können also nicht nur Kosten gespart, sondern auch langfristige Effizienzsteigerungen erzielt werden.
Ausblick: Wie wird eine (digitalisierte) Pflegeeinrichtung in der Zukunft aussehen?
Bauprozess
Vor großen Neubauten oder Sanierungen sollte es üblich sein, sich eine Digitalisierungsstrategie zu überlegen. Dabei ist es wichtig, sich zu fragen, welche Themen digitalisiert werden sollen und können und welche Auswirkungen dies auf den Bau hat. Die IT sollte explizit in solchen Bauprojekten mit am Tisch sitzen, da sie maßgeblich für viele Entwicklungen verantwortlich ist. Wenn die IT nicht von Anfang an in die Planungsrunden einbezogen wird, besteht die Gefahr, dass ihre Anforderungen und Bedürfnisse kaum Gehör finden.
Arbeitsumfeld
Prozesse sollten so angepasst werden, dass keine Doppelarbeit entsteht. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist der Abbau von Bürokratie und eine Vereinfachung der Verwaltung, beispielsweise durch automatisierte Dokumentation, die auch per Spracheingabe erfolgen kann. Hierbei kann auch Künstliche Intelligenz (KI) unterstützen, zum Beispiel durch die automatisierte Erstellung von Dienstplänen. Aktive Prozesse können durch gute Digitalisierung passiv werden, wie das Aufnehmen von Vitalwerten oder das Messen von Gewicht, das direkt in die Software eingetragen wird. Dies macht Ressourcen frei und schafft mehr Zeit für menschliche Interaktionen.
Für die übergeordnete Verwaltung, insbesondere bei Trägern mit mehreren Häusern, ist es zudem wichtig, vernünftige Videokonferenzräume zu haben, um sich schnell und gut austauschen zu können. Dies spart Zeit und Geld. Dabei sollte auch die multifunktionale Nutzung des Raums bedacht werden.
Bei der Nutzung von Transport-, Wegeleit- und Putzrobotik gibt es im Vorfeld einige Dinge baulich zu berücksichtigen. So gilt es sich unter anderem bewusst zu machen, dass Roboter einen Rückzugsort benötigen, um zu laden sowie Frischwasser und Abwasser zu managen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass sie zum Teil automatisch öffnende Türen benötigen.
Ausbildung
Die Ausbildung für Pflegeberufe wird sich insbesondere im Hinblick auf die Vertiefung und den Ausbau digitaler Kompetenzen verändern. Es wird immer mehr Berührungspunkte mit digitalen Technologien geben. Bereits jetzt kommen daher an manchen Schulen VR-Brillen zum Einsatz, um bestimmte Szenarien wie Stürze zu üben. Diese Entwicklungen zeigen, wie wichtig es ist, digitale Fähigkeiten frühzeitig zu fördern und in die Ausbildung zu integrieren.
Informationsaustausch und Entertainment
Das Entertainment spielt eine immer wichtigere Rolle, denn die künftigen Bewohnenden sind mit den digitalen Medien aufgewachsen. So erwarten sie beispielsweise Filmabende mit einem gewissen Niveau, einen guten Beamer, einen großen Fernseher mit guter Akustik oder Hintergrundmusik in der Cafeteria. Musik wird perspektivisch eher via App statt über Kassettenrekorder abgespielt.
Auch Angehörige werden einfacher teilhaben und sich jederzeit digital informieren können. Digitale Displays, die anstelle eines lokalen schwarzen Bretts genutzt werden, sind für alle einzusehen und nachhaltiger als beispielsweise wöchentlich ausgehängte Menüpläne. Zudem können eigene Streamingdienste angeboten werden, die weniger mobilen Bewohnern zur Verfügung stehen, beispielsweise zur Übertragung des Sommerfests oder von Gottesdiensten in das Bewohnendenzimmer.
Unsere Empfehlung
Wir empfehlen Einrichtungen sich frühzeitig Gedanken zur Digitalisierung zu machen, um für Sanierungen und Neubauten gut gerüstet zu sein. Dabei ist es wichtig, klare Anforderungen für digitale Lösungen zu beschreiben und die IT von Minute eins in die Planungen mit einzubeziehen.